04 Eltern als Partner:innen
Download- Kapitelübersicht
- Einleitung
- Kernaussagen
- 4.1 Dimensionen und Arten der (Zusammen-)Arbeit mit Eltern
- 4.2 Zusammenarbeit und Haltung gegenüber Eltern definieren
- 4.3 Warum Eltern nicht teilnehmen
- 4.4 Wie erreichen wir die Eltern?
- 4.5 Erfolgreiche Settings
- 4.6 Weiterführende Links, Materialien und Literatur
4.4 Wie erreichen wir die Eltern?
«Es genügt nicht zu sagen, die Türen seien offen. Man muss auch erreichen, dass die Leute den Weg hineinfinden.» (Lorenzo Milani, 1964)
Folgende Aspekte sind entscheidend, um die Eltern zu erreichen:
- Elternbeteiligung institutionalisieren.
- Vertrauen schaffen.
- Vorurteile abbauen.
- Brückenbauer:innen einsetzen.
- Nutzen deutlich machen.
- Vielfältige und milieugerechte Angebote entwickeln.
A. Elternbeteiligung institutionalisieren
Die Teilnahme der Eltern an schulischen Angeboten steigt, wenn die Elternbeteiligung in der Schule generell gefördert wird und Tradition besitzt (vgl. auch Kapitel 4.2) [1].
Um eine sehr hohe Beteiligung zu erreichen, kann es sinnvoll sein, Anlässe obligatorisch zu machen. Dazu braucht es eine An- resp. Abmeldung, es liegen Listen aller Teilnehmenden auf, die die Eltern visieren müssen, und abwesende Eltern werden kontaktiert und auf die Bedeutung der Zusammenarbeit hingewiesen.
B. Vertrauen schaffen
Elternarbeit soll Vertrauen schaffen – und Vertrauen ist die Grundlage dafür, dass sie auch gelingt.
- Beziehungsangebote schaffen Vertrauen.
- Die Schule als Organisation und die Lehrpersonen sollten aktiv auf Eltern zugehen und sie persönlich ansprechen.
- Kontakte helfen, Vorurteile abzubauen, stärken Beziehungen und erleichtern die Zusammenarbeit.
- Regelmässige Gesprächsangebote für alle Eltern schaffen Gleichheit. Hausbesuche zum Kennenlernen können hilfreich sein. Sie zeigen Wertschätzung für die Familie, unter Umständen auch für die ethnische Gruppe, und geben einen Einblick in die zum Teil schwierigen Wohnsituationen von Familien.
C. Vorurteile abbauen
Manchmal fühlen sich Eltern mit ihren Anliegen nicht verstanden. Sie haben den Eindruck, dass sich Vorurteile der Lehrpersonen negativ auf das Kind auswirken. Eltern setzen sich unermüdlich für ihre Rechte ein, andere fühlen sich allein gelassen, ausgeschlossen und diskriminiert. Das Verhalten ist zum Teil auch kulturell bedingt.
- Wir alle haben Vorurteile. Lehrpersonen sollten sich ihrer Vorurteile bewusst sein und überlegen, wie sie mit ihnen umgehen können. Eltern nehmen Ablehnung im Blick und in der Haltung der Lehrpersonen sofort wahr [2].
- Andere Länder – andere Sitten, das gilt für die Sprache und ganz besonders für Essengewohnheiten. So kann ein rundliches Kind Zeichen von Liebe und Wohlstand sein.
- Im Gespräch mit den Eltern und/oder mit Brückenbauer:innen können Vorurteile überprüft werden.
D. Brückenbauer:innen einsetzen
Bauen Sie einen Pool von Brückenbauer:innen bzw. Schlüsselpersonen auf, um Vertrauen zu bilden, Eltern aus anderen Kulturen direkt anzusprechen, Türen zu öffnen und kulturelle Unterschiede erkennen und benennen zu können.
- Brückenbauer:innen sind Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, denselben kulturellen Hintergrund haben oder Ähnliches erlebt haben wie bestimmte Eltern.
- Sie sind mit der Herkunftssprache und -kultur ebenso vertraut wie mit der Landessprache und dem Bildungssystem vor Ort.
- Sie zeichnen sich aus durch die Nähe zur Schule, der Gemeinde und den Eltern. Sie leben meistens in den Quartieren und sind so bei den Familien bekannt.
- Sie übernehmen Aufgaben, die die Erreichbarkeit der Eltern und die Verständigung der Schule mit den Eltern unterstützen (sie ersetzen aber die interkulturellen Vermittler:innen mit einer qualifizierenden Ausbildung nicht).
- Brückenbauer:innen werden durch ihr (meist freiwilliges) Engagement in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt.
Die Aufgaben und Rahmenbedingungen werden gemeinsam definiert und individuell ausgehandelt. Mögliche Aufgaben von Brückenbauer:innen:
- Kontakte aufbauen zu Familien gleicher Sprache und Kultur, kurze Texte übersetzen, Eltern auf Anlässe hinweisen/begleiten.
- Ansprechperson für Eltern zu organisatorischen Fragen der Schule sein.
- Informationen anbieten für die Schule über die eigene Kultur,
- Moderation Gesprächsrunden an Anlässen der Schule.
- Suche nach Eltern, die die Schule an einem schulischen Anlass oder in einem Projekt unterstützen können.
Was bei Sprachbarrieren zu beachten ist
Eltern sollen sich verständlich machen können. Schulen sollten den Eltern eine Übersetzung anbieten, wenn dies nötig ist. Wenn sie sich nicht äussern können, werden sie lächeln und nicken, damit die unangenehme Situation bald vorbei ist.
Übersetzungen durch ältere Kinder sind nicht hilfreich. Kinder schützen die Familie und sich selbst. Durch die Übersetzungsrolle wird das Machtgefüge der Familie ungünstig beeinflusst.
E. Nutzen deutlich machen
Eltern können eher für eine Teilnahme und Mitwirkung gewonnen werden, wenn der Nutzen des Angebots für ihr Kind erkennbar ist, sie sich die Mitarbeit zutrauen und für sich einen Mehrwert erkennen können.
Im Rahmen der schulischen Gesundheitsförderung können z.B. folgende Aspekte angesprochen werden:
- Studien zeigen, dass das Wohlbefinden der Schüler:innen und ihr Bildungserfolg eng verbunden sind: Gesunde Schüler:innen bringen bessere Schulleistungen – leistungsstarke Schüler:innen verhalten sich gesünder (vgl. auch Kapitel 1.1).
Gezielte Interventionen führen zu einer verbesserten Stress- und Problembewältigung bei Lehrpersonen, zu einem besseren Schulklima, besseren Beziehungen und einer besseren Unterrichtsqualität, was wiederum das Wohlbefinden der Schüler:innen stärkt (vgl. auch Kapitel 2).
Argumente für die Elternbeteiligung im Allgemeinen:
- Eltern erhalten einen Einblick in den Schulalltag ihrer Kinder, Lehrpersonen lernen die Eltern von einer anderen Seite kennen und schätzen.
- Dank der institutionalisierten Mitwirkung der Eltern können Probleme frühzeitig erkannt und gemeinsam gelöst werden.
- Eltern erkennen das Engagement der Schulleitungen und Mitarbeitenden, die Arbeit erfährt mehr Wertschätzung, die Kommunikation wird verbessert.
- Dank der Zusammenarbeit mit den Eltern über einen längeren Zeitraum hinweg kann eine gemeinsame Schulkultur entstehen, Verhaltensänderungen erfolgen nicht nur in der Schule, sondern lassen sich in den Alltag übertragen, z.B. das Ernährungsverhalten.
- Themen, die die Eltern schon lange beschäftigen, können von aussen in die Schule hineingetragen werden und gemeinsam umgesetzt werden.
F. Vielfältige und milieugerechte Angebote entwickeln
Mit keinem Anlass können alle Eltern erreicht werden. Elternarbeit braucht neue Konzepte und Vielfalt, um die unterschiedlichsten Milieus zu erreichen. Mit den «Sinus-Milieus» (www.sinus-institut.de) steht ein Modell zur Verfügung, das über unterschiedliche Werthaltungen und Bedürfnisse informieren kann. Auf der Horizontalen wird die Grundorientierung wie Werte und Lebensziele dargestellt. Auf der Vertikalen wird die soziale Lage wie Bildungsstand und sozioökonomischer Status, der Bevölkerungsgruppe abgebildet.
Für die Schule bedeutet dies, dass vielfältige Angebote nötig sind, um alle Milieus zu erreichen. Welche Angebote bei welchen Milieus wirkungsvoll sein können, zeigt die folgende Tabelle von Matthias Bartscher [3]. Er orientiert sich bei dieser Aufstellung an einer deutschen Sinus-Milieu-Erhebung für Eltern mit Kindern unter 18 Jahren von Sinus Sociovison aus dem Jahr 2008.
Tabelle: Zugänge zu Eltern unterschiedlicher soziokultureller Milieus nach Bartscher (2018)
Die Tabelle als PDF finden Sie unten unter «zugehörige Dokumente».
1 Ärztekammer Nordrhein/AOK Rheinland (2006)
2 Bauer (2008)
3 Bartscher (2018)
- Kapitelübersicht
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- Kernaussagen
- 4.1 Dimensionen und Arten der (Zusammen-)Arbeit mit Eltern
- 4.2 Zusammenarbeit und Haltung gegenüber Eltern definieren
- 4.3 Warum Eltern nicht teilnehmen
- 4.4 Wie erreichen wir die Eltern?
- 4.5 Erfolgreiche Settings
- 4.6 Weiterführende Links, Materialien und Literatur