03 Bewegungsförderung
Download3.3 Motor der Entwicklung
Bewegung spielt in keiner anderen Lebensphase eine so grosse Rolle wie in den ersten Lebensjahren. Die frühe Kindheit zeichnet sich durch Neugier, Entdeckerlust und einen grossen Bewegungs- und Betätigungsdrang aus. Dieser Bewegungs- und Betätigungsdrang lässt mit zunehmendem Alter etwas nach, bleibt aber für die Kinder sehr wichtig (Zimmer, 2014). Erfahrungen, die Kinder in Bewegung und beim Spielen machen können, beeinflussen nicht nur den motorischen Bereich. Über Bewegung setzt sich das Kind mit seiner materiellen und sozialen Umwelt auseinander und gewinnt Erkenntnisse über Regeln und Gesetzmässigkeiten. Zudem macht es über seinen Körper auch wichtige Erfahrungen über sich selbst, die die Grundlage seiner Persönlichkeitsentwicklung darstellen (Ingelmann, C. 2011., Zimmer, 2014. S. 30).

3.3.1 Motorische Entwicklung
Unter Motorik wird die Gesamtheit aller Funktions- und Steuerungsprozesse verstanden, welche die Haltungen und Bewegungen regulieren. Die motorischen Fähigkeiten werden in koordinative und konditionelle Fähigkeiten gegliedert. Koordination ist die Steuerung und Regulation der Motorik.
Die koordinativen Fähigkeiten sind wichtige Voraussetzungen für das motorische Lernen. Es werden fünf koordinative Fähigkeiten unterschieden:
- Die Gleichgewichtsfähigkeit ermöglicht uns, das Gleichgewicht zu halten oder es nach einer Positionsveränderung rasch wieder zu erlangen.
- Die Differenzierungsfähigkeit ermöglicht uns, Bewegungsaufgaben klug und passend für die Situation zu lösen.
- Die Reaktionsfähigkeit ermöglicht uns, Signale bzw. Informationen aufzunehmen und darauf schnell und zweckmässig mit einer passenden Bewegung zu reagieren.
- Die Rhythmisierungsfähigkeit ermöglicht uns, den Rhythmus einer Bewegung zu erfassen und umzusetzen und Bewegungen rhythmisch zu gestalten.
- Die Orientierungsfähigkeit ermöglicht uns, die Stellung des Körpers im Raum zu erfassen, uns in verschiedenen Positionen zurechtzufinden und andere Personen, Gegenstände im Raum wahrzunehmen.
Die konditionellen Fähigkeiten umfassen vier Bereiche.
- Kraft ist die Fähigkeit des Nerven-Muskel-Systems, Widerstände zu überwinden, ihnen entgegenzuwirken oder sie zu halten.
- Ausdauer ist die Fähigkeit, eine Leistung über einen möglichst langen Zeitraum aufrechtzu-erhalten und uns nach Belastungen möglichst rasch zu erholen. Sie ist die Widerstandsfä-higkeit gegen Ermüdung.
- Schnelligkeit ist die Fähigkeit, auf einen Reiz oder ein Signal schnellstmöglich motorisch zur reagieren. Dazu gehört auch, Bewegungsfolgen mit hoher Geschwindigkeit und grosser Präzision auszuführen.
- Die Beweglichkeit erlaubt es uns, Bewegungen mit einem grossen Bewegungsumfang aus-zuführen.
Die motorische Entwicklung beginnt bereits vor der Geburt. Bei Geburt ist der Mensch mit verschiedenen Reflexen (z.B. Saugreflex, Greifreflex) ausgestattet, die zum Überleben reichen. Dazu gehören auch Vorformen der Fortbewegung wie der Schreitreflex, die jedoch vor Beginn der selbstständigen Fortbewegung wieder erlöschen.
Ab Geburt bis zum 3. Lebensmonat sind bei den Kindern ungerichtete Massenbewegungen zu beobachten. Durch die Reifung des Hirns bzw. des Nervensystems und des Muskelsystem schreitet die Entwicklung der Motorik sehr rasch voran. Im späten Säuglingsalter (4. Lebensmonat bis 1. Lebensjahr) vollzieht sich eine schnelle und offensichtliche motorische Entwicklung. Es ist eine Phase der Aneignung erster koordinierter Bewegungen. Im 1. bis 3. Lebensjahr befinden sich die Kinder in einer Phase der Aneignung vielfältiger Bewegungsformen. Dies zeigt sich auch in einem ausgeprägten Entdeckungs- und Nachahmungsdrang und starken Bewegungsbedürfnissen.
Die Rückenlage ist eine gute Ausgangsposition für die Bewegungsentwicklung des Säuglings. In dieser Position kann das Kind selbstständig mit Augen- und Kopfbewegungen dem folgen, was es interessiert. Ebenso biete es dem Kind die Möglichkeit seine Hände und später auch seine Füsse zu entdecken. Ein Kind macht in seinen Wachphasen unzählige Positionswechsel. Nur rund 10% der Positionswechsel betreffen die zuletzt erlernte Position. Das bedeutet, dass eine neu erlernte Position nicht sofort stetig angewendet wird.
Es lassen sich folgende Entwicklungsstufen der Bewegungsentwicklung beschreiben, wenn die Kinder diese aus eigener Initiative erleben können.
- Es dreht sich vom Rücken auf die Seite (und zurück).
- Es dreht sich auf den Bauch.
- Es dreht sich vom Bauch zurück auf den Rücken (es wälzt sich).
- Es kriecht auf dem Bauch.
- Es krabbelt auf Knien und Händen.
Dazu gehört nicht nur das Krabbeln in der horizontalen Ebene, sondern auch das Hinauf- und Herunterkrabbeln bzw. Klettern. - Es setzt sich auf (es sitzt und legt sich hin).
- Es richtet sich zum Kniestand auf (es kniet und lässt sich wieder nieder).
- Es steht auf (es steht auf und lässt sich wieder nieder).
- Es fängt an, freihändig zu gehen, erste freie Schritte.
D.h. das Kind nimmt auch die Ausgangsposition selbstständig ein -> es steht selbstständig auf. - Es geht frei und sicher, das Gehen als Fortbewegungsart ist ihm selbstverständlich.
Nicht alle Kinder durchlaufen alle Entwicklungsstufen. Zum Beispiel gibt es Kinder, die sich aus dem Kreisrutschen aufsetzen und sich anschliessend auf dem Po sitzend rutschend vorwärtsbewegen. Anschliessend geht es direkt zum Aufstehen und freien Gehen, ohne dass das Krabbeln viel ausprobiert wurde. Ausserdem erarbeiten sich die Kinder beim Entdecken und Ausprobieren von neuen Positionen (z.B. Aufstützen) das nötige Rüstzeug (z.B. Stützmuskulatur) für kommende Positionen. Deshalb ist es wichtig, den Kindern Zeit und Möglichkeiten für die selbstständige Bewegungsentwicklung zu geben und sie nicht voreilig in neue Bewegungspositionen zu bringen.
Im Vorschulalter (4. bis 7. Lebensjahr) verbessern die Kinder vielfältige Bewegungsformen. Die erworbenen Bewegungsgrundformen entwickeln sich von Grobformen zu Feinformen weiter. Die Kinder haben in diesem Alter immer noch ein sehr starkes Bewegungsbedürfnis, das durch ein gezieltes Üben gekennzeichnet ist.
Vom 7. bis zum 10. Lebensjahr machen die Kinder schnelle Fortschritte in der motorischen Lernfähigkeit. Diese Entwicklung ist vor allem auf die günstigen körperlichen Voraussetzungen zurückzuführen, aber auch auf einige psychische Prozesse, die für das Lernen wesentlich sind. Zusätzlich verbessern sich die koordinativen und einige konditionelle Fähigkeiten.
Gemeinsam mit den Kindern werden im Raum verschiedene Kuscheltiere (sichtbar) platziert. Von jedem Kuscheltier ist ein ausgedrucktes (laminiertes) Bild vorhanden. Ein bis drei Kinder wählen je ein Tierbild aus. Gemeinsam machen sich die Kinder und die Betreuungsperson auf den Weg zu den ausgewählten, versteckten Kuscheltieren. Sind die ausgewählten Kuscheltiere gefunden, geht es von neuem los. Alternativ gibt die Betreuungsperson den Kindern einzeln oder zu zweit Aufträge, bestimmte Kuscheltiere zu besuchen. Je nach Auffassungsgabe der Kinder variiert die Anzahl der zu besuchende Kuscheltiere. Nachdem sie alle genannten Kuscheltiere gefunden und besucht haben, kehren die Kinder zur Betreuungsperson zurück.
Variationen
- Für jedes Kuscheltier hat die Betreuungsperson einige Abbildungen vorbereitet, die sie den Kindern als Merkhilfe für den Besuch der Kuscheltiere mitgibt.
- Bei jedem Kuscheltier ist eine Holzperlenfarbe deponiert. Beim Besuch der genannten Kuscheltiere fädeln die Kinder eine passende Perle auf ihre Kette. So hat die Betreuungsperson eine Kontrollhilfe.
- Die Kinder spielen es als Kleingruppe ohne Betreuungsperson.
3.3.2 Kognitive Entwicklung
Die kognitive Entwicklung beginnt bereits vor der Geburt. Von Geburt an wird sie bedeutend von Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen beeinflusst, die ein Kind machen kann. Lernen ist nicht so, dass man einfach Informationen aufnimmt und verdaut. Stattdessen eignet sich das Kind seine Umwelt aktiv selbst an. Das bedeutet, es ist wichtig, dass das Kind selbst etwas erfahren und machen kann. Nur wenn das Kind an etwas interessiert ist, wird es die Ausdauer haben, sich länger damit zu beschäftigen. (Texor, M.R. 2010, Zimmer, R. 2014).
Das Gehirn als die Schaltzentrale unseres Denkens und Handelns entwickelt sich, wenn wir es nutzen. Es besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die über 100 Billionen Synapsen ((Verbindungen) miteinander kommunizieren. Bei Geburt haben Säuglinge in etwa gleich viele Nervenzellen wie Erwachsene, sie sind aber noch weniger vernetzt und Nervenimpulse bewegen sich langsamer.
Im Alter von drei Jahren hat ein Kind doppelt so viele Verbindungen wie ein Erwachsener, danach werden die nicht relevanten Verbindungen zwischen den Nervenzellen allmählich abgebaut. Dafür werden die benötigten Bahnen zwischen den Nervenzellen verstärkt (Texor, M.R. 2010). Die Vernetzung ist aktivitätsabhängig und wird durch die Vielfalt der einwirkenden Reize und vielseitige Wahrnehmungstätigkeiten angeregt. Vielfältige Sinneserfahrungen (spüren, hören, sehen, schmecken, etc.) sind deshalb für Kinder sehr wichtig. Das zeigt auch ihre Vorliebe für alles, was ihr Gleichgewichts- und Bewegungssystem in Schwung bringt, z.B. das Schaukeln, Schwingen, Hüpfen, Balancieren.
Die Betreuungsperson hat ein Tamburin in der Hand und ist die Eiszauberin, der Eiszauberer. Mit dem Tamburin macht sie Zaubermusik (trommeln, mit den Fingernägeln kratzen, etc.). Während die Zaubermusik zu hören ist, bewegen sich die Kinder dazu. Wenn die Eiszauberin, der Eiszauberer aufhört zu spielen, frieren die Kinder sofort ein. Erst wenn die Zaubermusik wieder zu hören ist, tauen die Kinder wieder auf und können sich wieder frei bewegen.
Variation
- Die Musik kann auch über eine Audioanlage abgespielt werden. Idealerweise wird Musik verwendet, die verschiedene Rhythmen hat z.B. Tiermusik
Material
- Tamburin
3.3.3 Entwicklung der Wahrnehmung
Kinder sind oft auf der Suche nach Bewegungsgelegenheiten wie Balancieren, Rutschen, Schaukeln, Wippen, Springen. Diese Bewegungen sind für die kindliche Entwicklung grundlegend. Sie liefern die Basis für Wahrnehmungserfahrungen.
«Unter «Wahrnehmung» wird das Aufnehmen und Verarbeiten von Reizen über die verschiedenen Sinnessysteme verstanden. Voraussetzung für die Orientierung in der Umwelt ist die Fähigkeit, Sinnesreize zu differenzieren, wichtige Informationen von unwichtigen zu unterscheiden» (Zimmer, R. (2014). S. 78).
Auf wahrgenommene Reize reagieren wir mit einer bestimmten Bewegung oder mit einem bestimmten Verhalten und nehmen uns dadurch erneut wahr. Eine funktionierende Sinneswahrnehmung und -verarbeitung ist eine wichtige Voraussetzung für kognitive und motorische Leistungen, für das Lernen und die Konzentrationsfähigkeit. So kann sich ein Kind nur konzentrieren, wenn es zwischen bedeutsamen und unbedeutsamen Reizen unterscheiden und die ganze Aufmerksamkeit auf die Informationsquelle richten kann. Bei Wahrnehmungsstörungen braucht es viel Anstrengung und viele Ressourcen, um zum Ziel zu kommen.
Der Mensch hat mehrere Sinne, um die Umwelt und sich selbst wahrzunehmen. Dabei gehen wir von sieben Sinnen aus, von denen fünf wichtig für die Bewegungsentwicklung sind und die beiden anderen für die Ernährung. Die Sinne werden nachfolgend einzeln vorgestellt, obwohl sie eigentlich immer zusammenarbeiten. Meistens gewinnen wir nämlich Informationen gleichzeitig über mehrere Sinne.
Die visuelle Wahrnehmung ist bedeutsam, denn das Auge ist ein wichtiges menschliches Informationsorgan. Es ist auch der Sinnesbereich, der im Alltag einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt ist. Die visuelle Wahrnehmung umfasst nicht nur die Aufnahme von Lichtreizen durch das Auge, sondern auch die Verarbeitung der aufgenommenen Informationen. Sie trägt dazu bei, dass sich ein Kind im Raum orientieren oder auch die Flugbahn von Wurfgegenständen verfolgen und einschätzen kann.
Die auditive Wahrnehmung beinhaltet das Hören, das Erfassen des Gehörten und auch dessen Verarbeitung durch das Gehirn. Sie ist zusammen mit der visuellen und vestibulären Wahrnehmung eine wichtige Voraussetzung für die Orientierungsfähigkeit. Zudem baut darauf die Entwicklung der Sprache und der Kommunikationsfähigkeit auf.
Die Haut ist das Sinnesorgan des Tastsinns. Die Wahrnehmung einer Berührung ist passiv, das Erkunden bzw. Ertasten eines Gegenstandes dagegen eine aktive Wahrnehmung. Durch aktives Berühren gewinnen wir wertvolle Informationen für das weitere Handeln. Dabei spielt aber auch die kinästhetische Wahrnehmung eine Rolle. Dank ihr können wir bestimmen, ob ein Gegenstand zum Beispiel hart oder weich ist.
Die kinästhetische Wahrnehmung umfasst die Empfindung der Bewegungen des eigenen Körpers oder einzelner Körperteile zueinander «Bei der kinästhetischen Wahrnehmung nehmen Rezeptoren Reize des eigenen Körpers auf. Sie befinden sich in knochenumhüllenden Geweben und Knochenhäuten, in Muskeln, in Sehnen, in Gelenken und auch in Gelenkkapseln. Sie nehmen Informationen über Körperbewegungen, Muskelspannungen und Gelenkstellungen auf und sind notwendig, um Bewegungen ohne visuelle Kontrolle zu planen, zu dosieren und zu automatisieren» (Lienert et al. (2010), S. 32).
Das kinästhetische System ist für die Kontrolle der Eigenbewegungen verantwortlich, also beispielsweise dafür, dass ich einen Apfel mit geschlossenen Augen zum Mund führen kann und den Mund damit treffe. Es kann gut durch Zug und Druck angeregt werden.
Die vestibuläre Wahrnehmung ist für die Gleichgewichtsregulation des Körpers und für die Orientierung im Raum verantwortlich. Zudem befähigt es uns, Beschleunigungen und Drehbewegungen wahrzunehmen und uns darauf einzustellen. Die dafür wichtigen Rezeptoren befinden sich im Innenohr. Der Gleichgewichtssinn arbeitet eng mit dem Tast-, Seh- und Hörsinn und der Eigenwahrnehmung zusammen. Besonders anregend für den Gleichgewichtssinn sind Dreh- und Schaukelbewegungen. Drehbewegungen wirken aktivieren, leichtes Schaukeln wirkt beruhigend.
Der Geruchssinn reagiert auf chemische Reize. Über die Nase, genauer die Riechzellen, nehmen wir Informationen über unsere Umwelt auf. So lässt sich etwa verdorbene Nahrung oft am Geruch erkennen. Gerüche umgeben uns ständig. Sie wecken bestimmte Emotionen und Erinnerungen, denn Geruchserfahrungen haben eine hohe Tiefen- und Langzeitwirkung. Auch nach Jahren können wir einen bestimmten Geruch mit einem bestimmten Erlebnis verbinden.
Wie der Geruchssinn reagiert auch der Geschmackssinn auf chemische Reize. Die beiden Sinne sind eng miteinander verbunden. Durch den Geschmackssinn können wir Nahrung geniessen und ähnlich aussehende Lebensmittel voneinander unterscheiden. Zudem hat der Geschmackssinn einen Einfluss auf den Verdauungsprozess, da durch die Geschmacksempfindung Speichel- und Magensaftabsonderungen angeregt werden. Die Rezeptoren des Geschmackssinns befinden sich auf der Zunge und in der gesamten Mundhöhle.
- Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess und sollte mit Inhalten aus der Lebenswelt des Kindes gefördert werden. Die Wahrnehmung muss eine Bedeutung, einen Sinn, einen Bezug für das Kind haben.
- Damit sich Kinder auf Wahrnehmungen einlassen können, brauchen sie Zeit und Raum.
- Kinder fordern und fördern ihre Wahrnehmungsbereiche meist eigenaktiv. Dazu brauchen sie vielseitige Bewegungs-, Spiel- und Lernangebote.
- Kinder können sich weniger gut als Erwachsene vor zur vielen Reizen schützen. Sie brau-chen dazu Unterstützung.
- Sprache hilft, Wahrgenommenes einzuordnen, zu benennen und zu verstehen.
Die Kinder bilden Dreiergruppen. Zwei Kinder halten ein Zeitungspapier an den Ecken und spannen es zwischen sich auf. Das dritte Kind läuft mit Tempo durch das aufgespannte Zeitungsblatt. Wechseln.
Variationen
- Mit gesenktem Kopf durch die «Mauer» laufen.
- Mit den Händen voran durch die «Mauer» laufen.
- Die Kinder halten das Zeitungspapier parallel zum Boden. Das dritte Kind springt auf das Blatt.
- Mit Schaumstoffklötzen eine Mauer bauen und anschliessend hindurchrennen
3.3.4 Entwicklung des Selbst (-> Psychische Gesundheit)
Körpererfahrungen gelten als früheste Stufe der Selbstentwicklung. Über den Körper entdeckt das Kind seine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten und baut sein Selbstkonzept auf. Dieses ist die Summe aus kognitiven beschreibenden Vorstellungen (Selbstbild) und wertenden Gefühlen über das eigene Selbst (Selbstwertgefühl) und wichtig für die persönliche Entwicklung. Das Selbstkonzept beeinflusst die Motivation und das Handeln sowie die Erwartungen an Erfolg oder Misserfolg.
Um ein Bild von sich selbst zu erhalten, greift das Kind auf unterschiedliche Informationsquellen zurück, wie z.B. auf
- Informationen über die Sinnessysteme (das «Körperselbst»)
- Erfahrungen der Wirksamkeit des eigenen Verhaltens z.B., wenn ich in die Pfütze springe, spritz das Wasser hoch
- Folgerungen aus dem Sich-Vergleichen und Sich-Messen mit anderen
- die Zuordnung von Eigenschaften durch andere
Kinder gewinnen ihr Selbstkonzept hauptsächlich aus Bewegungserfahrungen und übertragen diese auf andere Herausforderungen, wie z.B. die Überzeugung, Anforderungen kontrollieren zu können.
Ein positives Selbstkonzept führt zu einer hohen Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugung und umgekehrt stärkt eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung das Selbstkonzept.
Zum Selbstkonzept gehören
- das Selbstbild: beschreibbare Merkmale der Persönlichkeit wie Fähigkeiten, Aussehen, etc. (z.B. wie gross bin ich, wo liegen meine Stärken, meine Schwächen, …).
- die Selbstwirksamkeit: die persönliche Überzeugung, eine bevorstehende Aufgabe erfolgreich aus eigener Kraft meistern zu können.
- das Selbstwertgefühl: Selbsteinschätzung, Bewertung der eigenen Merkmale, Zufriedenheit mit den eigenen Fähigkeiten.
Die Kinder bilden Zweiergruppen. Ein Kind nimmt zwei Seile. Durch Hinlegen der Seile soll es zeigen, wie gross es ist. Anschliessend legt es sich zwischen die Seile und kontrolliert, ob es seine Körpergrösse richtig eingeschätzt hat. Das zweite Kind beobachtet und gibt am Schluss eine Rückmeldung.

Variationen
- Verschiedene Kartonschachteln aufstellen lassen: In welche passe ich hinein, wo passen wir sogar zu zweit hinein?
- Ein Kind legt sich auf ein grosses Stück Packpapier, ein zweites fährt dessen Konturen nach.
- Kreidebilder auf dem Aussenplatz malen.
3.3.5 Soziale Entwicklung
Die soziale Entwicklung ist weitgehend von den ersten Bindungserfahrungen geprägt, die Kinder in ihren Familien erleben. Betreuungseinrichtungen im Vorschulalter erweitert das Netz der sozialen Beziehungen.
Soziale Lernprozesse finden dabei weniger durch mündliche Belehrungen oder Anleitung oder gar bewusste Erziehungsmassnahmen statt. Kinder lernen viel mehr aus ihren Erfahrungen im alltäglichen Zusammenleben mit anderen. Dabei lernen sie, miteinander zu teilen, zu streiten und sich wieder zu versöhnen. Sie lernen auch, sich selbst zu behaupten und mit anderen zu verhandeln. Im Vorschul- und Schulalltag ergeben sich oft von selbst Möglichkeiten, soziales Handeln zu üben, zum Beispiel im Freispiel. Geführte und angeleitete Sequenzen bieten die Chance, spezifische Situationen zu üben. Zum Beispiel das Aushandeln von Regeln oder das Einordnen in einer Gruppe. Insbesondere Sequenzen in Bewegung sind hierbei hilfreich.
Im Freispiel kann die Betreuungsperson die Kinder durch gezielte Reflexion und Rückmeldung bei ihrem sozialen Handeln unterstützen. Kinder benötigen Gelegenheiten, die ihre Fähigkeiten herausfordern, um soziale Kompetenzen zu erwerben. Nur durch Selbsterfahrung können Kinder soziales Handeln verinnerlichen und auf Alltagssituationen übertragen. (Zimmer, R. 2014, S. 39-41).
Spiele und Bewegungsaktivitäten bieten vielfältige Gelegenheiten, die Basiskompetenzen des sozial-emotionalen Handelns (Abbildung 2) auszuprobieren und sie weiterzuentwickeln. Kompetenzen, die die Kinder in ihrem Alltag brauchen und die ihnen helfen, sich in Gesellschaft wohlzufühlen.

- Kinder lernen soziales Verhalten über Nachahmen. Sie brauchen Vorbilder.
- Kinder bauen soziale Beziehungen über Bewegung und Spielen auf.
- Bewegungsspiele setzen soziale Lernprozesse in Gang. Diese sind aber nicht immer positiv, wie z.B. Konkurrenzverhalten oder Rivalität. Durch die Auswahl der Spiele und organisatorische Massnahmen (z.B. niemand scheidet endgültig aus) kann die Art des Lernprozesses aktiv gesteuert werden.
Die Betreuungsperson spielt den laut schnarchenden Riesen. Er liegt in der Mitte des Raumes. Die Kinder sind Zwerge.
Der Riese aus dem Zauberwald ist müde und schläft laut schnarchend auf der Decke. Den Zwergen ist langweilig und sie möchten gerne mit dem Riese Fangis spielen und versuchen ihn durch Kitzeln wach zu kriegen. Wie lange dauert es wohl, bis der Riese wach wird und die frechen Zwerge fangen will, wenn diese davonrennen?
Variationen
- Die Zwerge bauen Höhlen, in denen sie sich vor dem fangenden Riesen verstecken können, bis der Riese sich wieder hinlegt und einschläft.
- Ein Zwerg, welcher vom Riesen gefangen wird, wird zum neuen Riesen.
3.3.6 Sprachförderung durch Bewegung
«Kinder eignen sich ihre Umwelt durch Bewegung und Wahrnehmung an. Beschaffenheiten und Eigenschaften von Dingen lernen sie durch Betasten, Begreifen und den Umgang damit kennen. So werden Erfahrungen, die durch Handeln gewonnen werden, in Verbindung mit Sprache zu Begriffen.» (Zimmer, R. 2014. S. 93). Ein Kind, das mit einem Ball spielt, ihn auf den Boden prellt oder wirft oder zusieht, wie ein anderes Kind damit spielt, sagt erst nach der Beschäftigung mit dem Ball: «Der Ball springt!»
Bewegung fördert die Entwicklung und kann sich besonders in den ersten Lebensjahren positiv auf die Sprachentwicklung auswirken. Beim gemeinsamen Spielen, Bauen und Konstruieren, beim Aushandeln von Rollen und Regeln sowie beim spontanen, spielerischen Umgang mit der eigenen Stimme bei Rollen- und Symbolspielen entstehen viele Sprechanlässe, die die sprachliche Entwicklung unterstützen. Besonders entfalten sich die sprachlichen Fähigkeiten in einem motivierenden, lustbetonten Rahmen, indem Bewegung und Sprache miteinander verbunden werden können. Die Sprache wird so direkt erlebt. Die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten durch Bewegung bietet die Möglichkeit, die Stärken der Kinder zu fördern, anstatt sich auf ihre Schwächen zu konzentrieren. (Zimmer, 2012).
«Der spielerische Umgang mit der Sprache, die Lust am Nachahmen, das unbefangene Ausprobieren von Lauten, dies sind gute Voraussetzungen, die Sprache zu erwerben. Bewegung unterstützt diesen Prozess – Sprache wird so am eigenen Leib erfahren.» (Zimmer, R. (2012). S. 18).
Für einen möglichst reibungslosen Spracherwerb sind folgende Rahmenbedingungen wichtig:
- Die notwendigen organischen Voraussetzungen: Funktionsfähigkeit der Sprechwerkzeuge, Regulation der Atmung, Ausbildung der Muskulatur der Mundmotorik.
- Eine gut funktionierende Wahrnehmung (-> Entwicklung der Wahrnehmung): Zum Beispiel ermöglicht der Hörsinn die Richtung von Geräuschen zu erkennen, und die Eigenwahrnehmung, Mund- und Zungenbewegungen aufeinander abzustimmen.
- Soziale Bindungen und Beziehungen bilden sich aus der Interaktion mit anderen.
- Kognitive Entwicklung: Zum Beispiel werden durch das Hantieren mit Gegenständen Eigenschaften kennengelernt. Daraus bilden sich Begriffe für die Gegenstände und Handlungen.
Diese verschiedenen Voraussetzungen für den Spracherwerb können gut mit und durch spielerische Bewegungen angesprochen und gefördert werden.
Es gibt verschiedene Ebenen, die für den Spracherwerb zentral sind.

3.3.7 Gesundheit und Wohlbefinden
Bewegung wirkt sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern aus und hilft Krankheiten vorzubeugen/schützt vor Krankheiten. Sie stärkt Ressourcen, die für die physische und psychische Gesundheit von Kindern von Bedeutung sind:
- Stärkung körperlicher Gesundheitsfaktoren, wie die Verbesserung der körperlichen Fitness, der Muskelkraft, der Leistungsfähigkeit des Herzkreislaufsystems, des Immunsystems oder auch der Knochendichte. Genügend Bewegung wirkt vorbeugend gegen Übergewicht.
- Stärkung personaler Gesundheitsfaktoren, wie die Entwicklung eines guten Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit, aber auch einer zuversichtlichen und optimistischen Grundeinstellung. Zudem kann Bewegung depressive und angstverbunden Anzeichen vermindern.
- Stärkung sozialer Gesundheitsfaktoren, wie die Einbindung in Gruppen, die Bindung an andere und die Akzeptanz von Gleichaltrigen. Motorisch schwächeren Kindern fällt es schwerer, an Bewegungsspielen und -aktivitäten mit Gleichaltrigen teilzuhaben, oder sie werden von den anderen eher ausgeschlossen.
Zum Wohlbefinden gehört aber auch, dass Kinder die Möglichkeit haben, sich zu entspannen. Der Wechsel von Anspannung (Aktivität) und Entspannung (Ruhe, sich zurückziehen) hat positive Auswirkungen auf Wohlbefinden und Stressabbau.
- Majewski, A. & Majewski, J. (2012). Kinder stärken. Ein Leitfaden durch die psychomotorische Entwicklungsförderung - Theorie und Praxis. Schorndorf: Hofmann.
- Herrmann, C., Bretz, K., Kühnis, J., Seelig, H., Keller, R. & Ferrari, I. (2021). Connection between Social Relationships and Basic Motor Competencies in Early Childhood. Children, 8(1), 1–10 (nr. 53). https://doi.org/10.5281/zenodo.4476495